‚Krisenmodus‘ wurde offiziell zum Wort des Jahres 2023 gekürt. Auch in Hinblick auf 2024? Klar ist, dass sich die Gesellschaft seit 2020 permanent im Ausnahmezustand befindet: Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Energiekrise, Bildungsmisere und Nahost-Konflikt. Auch 2024 sieht es nicht danach aus, dass die Krisen weniger werden. Weltpolitisch sind einige Brandherde auf der Karte zu verzeichnen. Wird also aus dem Krisenmodus ein Dauerzustand?
Bei den Themen, die die Menschen bewegen, werden neben den klassischen Trends Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Klimaschutz auch Sicherheit und Verteidigung weiter in den Vordergrund treten. Gerade jetzt werden Innovationen und Investitionen benötigt, die jedoch durch den andauernden Fachkräftemangel nur schwer realisierbar sind.
Unsere Thesen für das Jahr 2024:
- Das Sicherheitsgefühl der vergangenen Jahre wird endgültig der Vergangenheit angehören.
- Die Welt steht 2024 vor einem Superwahljahr, das vieles elementar verändern wird.
- Die gestiegenen Kosten, die schwache Nachfrage sowie die Verunsicherung durch die orientierungslose Wirtschaftspolitik drücken die Stimmung.
Wirtschaft global
Im Jahr 2024 kann die Wirtschaft etwas durchatmen. Das ifo-Institut rechnet im kommenden Jahr mit einer globalen Wachstumsrate von durchschnittlich 3,3 Prozent. Während das Wachstum in Europa relativ geringe Werte erzielt, sind vor allem Afrika und Südost-Asien auf dem Vormarsch. So soll das erwartete Wirtschaftswachstum auf dem afrikanischen Kontinent sogar an die 8 Prozent herankommen.
Auch der Leitzins ist weiter gestiegen: Nach dem Null-Prozent-Tief von 2016 liegt dieser inzwischen bei 4,5 Prozent – und damit so hoch wie zuletzt Anfang der 2000er. Die Notenbanker haben die Leitzinsen seit Juli 2022 so schnell und kräftig angehoben wie noch nie seit Bestehen der Währungsunion. Und weil die Notenbanken in anderen Ländern ihre Leitzinsen ebenfalls stark anhoben, befinden sich auch die deutschen Exporte nach wie vor auf Talfahrt. Inzwischen haben die Notenbanken es geschafft, die Inflation einzudämmen. Förderlich waren hierbei die schwindenden Materialengpässe und die nachgebenden Preise an den Rohstoffmärkten.Es wird im Jahr 2024 eine Inflationsrate von 2,7 Prozent erwartet – diese liegt somit immer noch über dem von der EZB angestrebten Zielwert von 2,0 Prozent. Die EZB rechnet erst für 2026 damit, dass die Inflation wieder unter die selbst gesetzte Zielmarke fällt. Aber wann kommt die Zinswende? Zuletzt hat EZB-Chefin Christine Lagarde Spekulationen auf eine rasche Leitzinssenkung gedämpft. Es bleibt abzuwarten, ob die neuerlichen und kommenden Lohnabschlüsse eine neue Welle an Preiserhöhungen auslösen. Die Sorge ist auch deshalb berechtigt, weil die Tariflöhne in der Euro-Zone im 3. Quartal um 4,7 Prozent und die Lohnstückkosten um 6,8 Prozent anstiegen.
China plant 2024 ein Haushaltsdefizit von drei Prozent des BIP. Allerdings soll weitere Unterstützung des Staates mit zusätzlichen Schulden abgedeckt werden. Es lasten die schwache globale Nachfrage und die weiter schwelende Immobilienkrise: Konjunkturspritzen sollen helfen. Etwa 5 Prozent für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat sich die Volksrepublik selbst für dieses Jahr als Wachstumsziel verordnet.
Indien gilt als eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt und ist neuerdings auch das bevölkerungsreichste Land der Erde. Das reale Bruttoinlandsprodukt wird sich laut Prognose bis 2028 beständig im 6,3-Prozent-Bereich bewegen. Ob die Entscheidung der einer Milliarde Wahlberechtigten hier eine Veränderung bringt, zeigt sich bei den Parlamentswahlen Mitte des Jahres.
Einer der wichtigsten Faktoren der Wirtschaft ist immer noch die Politik – hier wird es 2024 zu großen Veränderungen kommen. In insgesamt 70 Ländern werden neue Regierungen, Staatsoberhäupter und Parlamente gewählt, darunter viele wegweisende wie die US-Präsidentenwahl, die Europawahl und eben die oben genannten Parlamentswahlen in Indien.
Neben dem Krieg in der Ukraine wirkt sich auch der Konflikt zwischen Israel und der Hamas auf die Wirtschaft aus. Bisher halten sich die Auswirkungen an der Börse in Grenzen. Sollte sich der Konflikt jedoch auf die umliegenden Regionen ausbreiten, hätte dies schwere Folgen für den Ölexport. Auch die schwelenden Konflikte zwischen China und Taiwan sowie den Philippinen und Vietnam hätten – falls es zum Kriegsfall kommen würde – verheerende Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft. Und wie würde der Westen auf einen Angriff Chinas reagieren? Sanktionen wie gegen Russland scheinen fast undenkbar. Das Land ist die größte Handelsnation und zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Chinas Wirtschaft ist zehnmal so groß wie die russische und weit wichtiger für die globalen Lieferketten. Harte Sanktionen würden sich gewaltig auf die Wirtschaft auswirken. Allein wenn der Westen die vier größten Banken Chinas ins Visier nähme, könnten Handels- und Investitionsströme in Höhe von etwa drei Billionen Dollar gefährdet sein.
Wirtschaft national
Vom Wachstumsmotor zum kranken Mann Europas? Ökonomisch befindet sich Deutschland in der Stagflation. Der hohen Inflation steht ein erneuter Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung gegenüber. Nach einem BIP-Rückgang von 0,3 Prozent in 2023 wird 2024 mit einem weiteren Rückgang um 0,2 Prozent gerechnet. Die Weichen für die deutsche Wirtschaft stehen auf Seitwärtstrend: die Inflation schwankt, die Lohneinkommen steigen und die Beschäftigung ist so hoch wie nie zuvor. Die Kaufkraft und Nachfrage (auch resultierend aus einer Sättigung) bleiben weiterhin hinter den letzten Jahren zurück. Die Steuer auf CO²-Emissionen, der Mehrwertsteuersatz für Erdgas und Fernwärme, die Plastikabgabe und u. a. die Erhöhung der LKW-Maut sorgen für weitere Verunsicherung und Kaufzurückhaltung aufgrund steigender Preise. Für einen zusätzlichen Teuerungsschub sorgen die Attacken im Roten Meer, die sowohl die Warenströme aus Asien als auch die Flüssigerdgas- und Öllieferungen aus den Golfstaaten stören. In 2025 soll sich die Konjunktur dann wieder normalisieren und um 1,3 Prozent steigen, so das ifo Institut.
Die Ampel-Koalition hat es bis zur Hälfte der Legislaturperiode kaum geschafft, nennenswerte Impulse zu setzen. Öffentliche Richtungsstreits und der Rechtsstreit zum Haushalt kosteten Vertrauenspunkte in der Bevölkerung. Aktuelle Umfragen sehen die Regierung ohne Mehrheit. Dass die Arbeit der Berliner Minister und Ministerinnen auch Folgen auf Landesebene hat, ist nicht erst seit den Landtagswahlen in Hessen und Bayern offensichtlich. In 2024 werden in Thüringen, Sachsen und Brandenburg neue Landtage gewählt. Die derzeitigen Umfragen prognostizieren Siege der Alternative für Deutschland (AfD) in allen drei Bundesländern und somit einen deutlichen Rechtsruck.
Neben innenpolitischen Themen sind auch grundlegende Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft offen: Durch den vermehrten ökonomischen Nationalismus von USA und China leidet die exportorientierte deutsche Industrie. Laut ifo-Institut geht eine Mehrheit der Branchen von rückläufigen Exporten in den kommenden Monaten aus. Dazu gehören auch wieder die Automobilhersteller, die zuletzt eher von einer konstanten Entwicklung ausgegangen waren. Zudem fehlt es an Wohnraum für die infolge der hohen Migration wachsende Bevölkerung.
Fehlende Fachkräfte werden auch in 2024 weiterhin zahlreiche Branchen beschäftigen. Das Niveau wird zwar nicht weiter ansteigen, stagniert aber auf hohem Stand. Gerade in sich technologisch schnell weiterentwickelnden Branchen wird händeringend Personal gesucht. Dies ist vor allem in den Sektoren IT, Finanzen und Energie/Versorgung der Fall.
Ungeachtet dessen wird sich der Deutsche Aktienindex (DAX) weiter in neue Höhen schwingen: So geben Finanzexperten ein Jahresziel von durchschnittlich 17.240 Punkten für 2024 an.
Handel und Logistik
Gefahren, Kosten und Potenziale – dieser Dreiklang beschreibt das Logistik-Jahr 2024 sehr gut. Die Angriffe auf Containerschiffe durch die jemenitischen Huthi-Rebellen zeigen einmal mehr auf, wie wichtig und doch verwundbar der Warenweg durch den Suez-Kanal ist. Ob die Schutzallianz für Schiffe unter der Führung der USA für Ruhe sorgen wird, wird sich zeigen. Insgesamt rechnet die Branche mit einem herausfordernden Jahr: Die Prognose der Logistikweisen liegt im Mittel bei nominal +0,8 Prozent und real bei -3,5 Prozent. Zusätzlich belastet auch hier der Fachkräftemangel die Branchen. Entlang der Supply Chain fehlen jetzt schon viele Arbeits- und Fachkräfte, was aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge in Zukunft noch zunehmen wird. Laut des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWI) werden bis zu einem Drittel weniger Erwerbstätige bis zum Jahr 2060 zur Verfügung stehen. Es fehlen Lagerarbeiter, Mitarbeiter in der Disposition, Lkw-Fahrer und IT-Spezialisten. Digitalisierung und Automatisierung werden Abhilfe schaffen und Fachkräfte ersetzen, allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis solche Systeme überall zum Standard werden.
Für schwere Lastwagen ist die Fahrt auf deutschen Autobahnen und Bundesstraßen seit Dezember deutlich teurer: Pro Tonne ausgestoßenem Kohlendioxid (CO2) fällt ein Aufschlag von 200 Euro an. Ab 1. Juli 2024 wird die Maut zudem auch für kleinere Transporter über 3,5 Tonnen fällig, hiervon sind etwa 300.000 Fahrzeuge betroffen. Die so generierten Einnahmen sollen 2024 von knapp acht Milliarden Euro auf mehr als 15 Milliarden Euro steigen – bis 2027 können so Mehreinnahmen von 30,5 Milliarden Euro zusammenkommen. Die Gelder sollen unabhängig von ungewissen Haushaltslagen für Verkehrsinvestitionen reserviert werden – und erstmals auch für das dringend renovierungsbedürftige Schienennetz eingesetzt werden.
Die deutsche Wirtschaft war einer der großen Gewinner der Globalisierung. Mit der Folge, dass Teile der Fertigung in Niedriglohnländer ausgelagert wurden. Unter welchen Bedingungen dort produziert wurde, war und ist höchst intransparent. Das sollte sich mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (kurz: Lieferkettengesetz) ändern, welches Anfang 2023 in Kraft getreten ist. Dieses regelt die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in globalen Lieferketten. Seit Januar 2024 gilt das Gesetz nun auch für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten. Doch auch für kleinere und mittelständische Unternehmen kann es als Zulieferer relevant werden. Große Unternehmen geben ihre Sorgfaltspflichten an die Lieferanten weiter. Ein entsprechendes Gesetz auf europäischer Ebene ist bereits in Vorbereitung – eine Verabschiedung durch die EU-Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament wird im Frühjahr erwartet.
Einzelhandel
Die Einzelhandelslandschaft befindet sich seit Jahren in stetigem Wandel. Weg vom stationären Handel hin zu Online-Händlern, veränderte Kundenbedürfnisse und generell eine gewisse Konsumsättigung stellen die Händler vor Herausforderungen. Abhilfe soll KI bieten: Die Product Experience (PX) wird 2024 weiter wachsen und mit fortschrittlicheren Technologien und KI-basierten Systemen, die umfangreiche Kundendaten sammeln und verarbeiten, vermehrt eingesetzt werden. Hochpersonalisierte Interaktionen werden weniger Luxus und mehr zur Norm.
Die Omnichannel-Erfahrung ist seit geraumer Zeit ein Trend im Einzelhandel, aber im Jahr 2024 wird eine höhere Nachfrage der Verbraucher nach nahtlosen Erlebnissen auf digitalen, sozialen und physischen Kanälen erwartet. Die neue “Experience” wird so aussehen: Modemarke in sozialen Netzwerken entdecken, Online-Shop erkunden und sich entscheiden, den physischen Store zu besuchen. Die Einzelhändler stellen sicher, dass die Vorlieben des Kunden und sein Einkaufsverlauf nahtlos von einem Kanal auf den anderen übertragen werden. Trotz Bestehenbleiben der Stores müssen sich die deutschen Innenstädte verändern – und zwar dringend. Während beispielsweise Hauptgeschäftslagen in Metropolen vielfach positive Entwicklungen verzeichnen, beklagen Nebenzentren und B-Lagen in Großstädten sowie kleine und mittelgroße Städte – insbesondere in strukturschwachen Gebieten oder Ballungsräumen – oft Frequenzverluste, Umsatzrückgänge und Leerstände. Hier muss also ein Verständnis her, wer hier wohnt und welche Wünsche/Bedürfnisse diese Menschen haben. Der reine Konsum jedenfalls ist nicht mehr das, was die Menschen in die Stadt lockt. Die Innenstadt der Zukunft ist grüner, ein Ort, wo man sich gern aufhält, und den man besten noch mit dem Fahrrad erreicht. Eine lebendige Mischung aus Tourismus, Restaurants und Cafés, Wohnen, Arbeiten und Kultur, aber auch Geschäften.
Im Zuge dessen rücken auch Umwelt- und soziale Probleme immer weiter ins Bewusstsein – auch aufgrund des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes gibt es erstmals deutlich mehr Transparenz. Dies ermöglicht es den Käufern, informierte Entscheidungen zu treffen und sich sicher zu fühlen, eine Marke zu unterstützen, die ihre Werte teilt. Darauf zahlt auch das Vernichtungsverbot für unverkaufte Kleidung ein, dem Parlament und EU-Staaten zwar noch offiziell zustimmen müssen, dies aber als Formsache gilt. Modehändler dürfen unverkaufte und retournierte Bekleidung in der EU dann nicht mehr vernichten. Vor allem größere Firmen trifft das neue Verbot, für kleinere gelten Ausnahmen.
Wie in vielen anderen Branchen auch, fehlt es an Personal im Einzelhandel: Eine neue Forsa-Umfrage zeigt: 93 Prozent der sogenannten „Blue-Collar“-Unternehmen (Einzelhandel, Dienstleistungsbereich, Handwerk, Industrie) haben unbesetzte Stellen. 83 Prozent gaben an, dass es generell zu wenig Arbeitskräfte auf dem Markt gibt. 62 Prozent klagten über unzureichende fachliche Qualifikationen der Bewerberinnen und Bewerber. Besserung in 2024 ist auch vorerst nicht in Sicht.
Bauindustrie und Immobilien
Mit 2023 geht für die Immobilienbranche ein unruhiges Jahr zu Ende. Hohe Finanzierungs- und Baukosten, die erhöhten energetischen Anforderungen und regulatorische Unsicherheiten lasteten schwer auf dem Immobilien- und Bausektor. Wie wird 2024? Ebenfalls herausfordernd, wie der Ausblick zeigt!
Mit der Gerchgroup, Development Partner, der Project-Gruppe, Euroboden und Signa Real Estate meldeten innerhalb weniger Wochen mehrere große Projektentwickler Insolvenz an. Wir gehen davon aus, dass sich die Lage in der Immobilienbranche 2024 noch zuspitzen wird.
Es sind nicht nur die großen Projektentwickler, sondern vielmehr die Bauunternehmen im Mittelstand, die vor immer größeren Problemen stehen. Mehr als 1.000 deutsche Bauunternehmen haben bis zum Ende des 3. Quartals 2023 Insolvenz angemeldet. Laut einer Umfrage des Münchener ifo-Instituts nannten 36 Prozent der Bauunternehmen Auftragsmangel als akutes Problem. Ursächlich sind steigende Energiekosten, aber auch die explodierenden Zinsen. Auch die Kosten für Baumaterialien bleiben auf hohem Niveau: Ausschlaggebend sind hier weiterhin die akute Materialknappheit(besonders Bauelemente aus mineralischen Rohstoffen) und die Entwertung des Euros. Diese führt dazu, dass Importe aus Ländern mit geringerer Inflation (Staaten wie China, die Schweiz, der Oman oder Taiwan) zunehmen. Aus deutscher Sicht steigen dadurch die Preise für Rohstoffe, Gebäudekomponenten und andere Produkte aus diesen Ländern.
Wie gravierend der Rückgang im Bausektor ist und welche Folgen dies für die Baubranche in den nächsten Jahren hat, zeigen Branchenzahlen zu den ersten drei Quartalen. Gegenüber dem Vorjahr gingen die Investitionen in Wohnimmobilien um 61,5 Prozent zurück und die Investitionen in Hotelimmobilien um 60 Prozent. Bei Handelsimmobilien gaben Investoren 38 Prozent und bei Verkäufen von Bürohäusern 76 Prozent weniger aus. Ein Crash der Bauwirtschaft wie in den 1990er Jahren wird nicht erwartet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es zu einer spürbaren Delle in den nächsten Jahren kommt. Profitieren werden Infrastrukturprojekte sowie Investitionen im Transformationsbereich sowie der Rüstungsindustrie.
Automobilindustrie
Ungefähr 2,4 Milliarden Euro wurden 2023 für die staatlichen Kaufprämien für Elektroautos ausgezahlt, doch das Bundeskabinett hat die Umweltprämie im Eilverfahren zum 18. Dezember 2023 auslaufen lassen. Zahlreiche Hersteller geben diese nun in Form eines temporären Rabatts an ihre Kunden weiter. Nach dem Center of Automotive Managementist der Durchschnittspreis von Autos aus allen Segmenten bereits von 2022 mit 48.669 Euro auf 52.693 Euro im Jahr 2023 gestiegen. Ohne Umweltprämie erwarten Experten daher einen Rückgang der Verkaufszahlen bei E-Autos, da vielen Verbrauchern die Kosten für die Anschaffung eines neuen Wagens – ohne staatliche Unterstützung und teilweise auch mit – zu hoch sind.
Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrtgewerbe (ZDK) rechnet in Deutschland mit einem Rückgang der PKW-Neuzulassungen von 2,85 Millionen auf 2,65 Millionen, also rund 200.000 weniger als 2023. Es gebe kein ausreichendes Angebot an „bezahlbaren“ Neuwagen, weshalb viele Menschen eher auf gebrauchte Autos zurückgreifen, was eine Erklärung für den leichten Anstieg der Besitzumschreibungen bei Kraftfahrzeugen sein kann. Auch die weltweite Autoproduktion 2023 hat ihren Höchstwert im Jahr 2017 von 95 Millionen Neuwagen nicht mehr überschreiten können.
Einige der größten Automobilhersteller kommen aus Deutschland, dennoch werden auch diese immer unabhängiger vom Standort Deutschland. Die Lieferkettenprobleme durch Krieg und Rohstoffmangel haben zu großen Einbußen in der Produktion geführt. Viele Unternehmen in Deutschland planen, ihre Produktionsstätten auch zur Herstellung von E-Autos aufzurüsten, doch der Rohstoffmangel betrifft auch diese. Bei der Herstellung von Batterien ist Deutschland größtenteils auf Importe angewiesen. Es gibt zwar Pläne zur Gewinnung von Lithium für Batterien durch Förderung von Thermalwasser am Oberrhein, diese sind aber durch die Umweltfolgen der Tiefenbohrung zur Gewinnung des lithiumhaltigen Wassers sehr umstritten.
Da die EU die steigende Nachfrage nach elektrischen Antriebstechnologien nicht decken kann, bezieht sie bisher den Großteil der Lithum-Ionen-Batterien und elektrischen Antriebstechnologien aus China. Diese Situation hat beim EU-Gipfel für die wirtschaftliche Sicherheit Europas im Oktober 2023 Besorgnis vor einer großen Abhängigkeit von China aufgeworfen.
Chinas Autoindustrie wächst rasant. Der entscheidende Vorteil liegt dabei in der Eigenherstellung von leistungsstarken Batterien, die mit weniger teuren Rohstoffen hergestellt werden als bei deutschen Herstellern, aber auch an den Anteilen der Innovationsstärke durch Patente, mit denen China bereits 2022 auf 37 Prozent aufsteigen konnte und damit Deutschland (27 Prozent) und die USA (17 Prozent) überholte. Außerdem werden in Rekordzeit neue Produktionsstätten errichtet, sodass China inzwischen weltweit die meisten Autos produzieren kann. Die Pläne für den Weiterausbau beinhalten außerdem auch den Bau von neuen Werken in Europa, was ebenfalls zu einer Steigerung der Verkaufszahlen im europäischen Markt führen kann.
Auf politischer Ebene wird geprüft, ob die Durchsetzung von Strafzöllen gegen chinesische Autos eine Möglichkeit sein kann, Europas Handelsinteresse durchzusetzen. Bedenken wurden hierbei insbesondere wegen der Reaktion Chinas auf mögliche Einschränkungen geäußert, da China momentan und wohl auch in der Zukunft ein wichtiger Handelspartner und Exporteur für Europa ist.
Mobilität
Erneuerbare Antriebstechnologien haben die Autobranche und auch den ÖPNV die letzten Jahre ordentlich aufgewirbelt. Die Elektrifizierung von Autos ist schon seit ein paar Jahren ein großes Thema, doch auch die Verkehrsverbände ziehen nach. So baut beispielsweise die Hamburger Hochbahn AG gerade schon den zweiten Betriebshof für Elektrobusse und möchte bis 2030 komplett auf elektrisch betriebene Busse umgestellt sein, um eine lokal emissionsfreie Fortbewegungsmöglichkeit innerhalb der Stadt Hamburg zu schaffen. Doch auch andere Antriebsmöglichkeiten können in Betracht gezogen werden. Wasserstoff spielt im Rhein-Neckar-Gebiet eine zentrale Rolle. Dort sollen 2024 fünf neue Wasserstofftankstellen errichtet werden, an denen Busse und LKW tanken können.
Durch intelligente Verkehrssysteme der Zukunft soll eine ökonomische und soziale Verkehrswende ermöglicht werden. Hierzu zählt der weitere Ausbau der Schienennetze sowie des Luft- und Schiffverkehrs – am besten mit Antrieb durch erneuerbare Energien.
Die Bereitschaft der Menschen, die Angebote des öffentlichen Nahverkehrs zu nutzen, ist durch den Erfolg des Deutschland-Tickets belegt. Bis Mai 2024 soll das Deutschland-Ticket weiterhin für 49 Euro im Abo-Modell erhältlich sein, wie es danach weitergeht, bleibt noch offen.
Bei den Gesprächen der Ampel-Koalition zur Einigung über den Haushalt kam der Gedanke auf, eine Kerosinsteuer für innerdeutsche Flüge zu erheben. Je nachdem wie weit die Flugpreise steigen, können sie keine – teilweise kostengünstigere – Alternative mehr zur Bahn liefern.
Energie
Im Jahr 2023 liegt Deutschlands Energieverbrauch ungefähr 28 Prozent unter dem Höchstwert von 1990. Die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AG Energiebilanzen) sieht die Gründe dafür in den hohen Kosten für Energie und Importenergie, welche für einen sparsameren Umgang und Kürzungen bei besonders energiereichen Produktionen verantwortlich sind.
Ab 1. Januar 2024 ist die neue Förderung für den Heizungsaustausch und auch das neue Gebäudeenergiegesetz in Kraft getreten. Die Bundesregierung möchte dadurch anregen, dass alte – oft durch fossile Rohstoffe betriebene – Heizungen durch umweltfreundlichere Alternativen ausgetauscht werden. Dabei sollen bis zu 70 Prozent Investitionskosten übernommen werden. Das Geld kommt hierbei aus dem Klima- und Transformationsfond (KTF). Auch andere Optimierungen wie Fenstererneuerung und bessere Dämmung können unterstützt werden.
Pharma und Gesundheitswesen
Corona ist größtenteils vorbei – der Fachkräftemangel bleibt. Auch in den kommenden Jahren wird uns der Fachkräftemangel weiterhin vor allem in der Pflege beschäftigen. Im gesamten Pflegebereich sind mehr Stellen vorhanden als ausgebildete Fachkräfte. Mögliche Erklärungen dafür sind die relativ geringe Bezahlung bei hoher Arbeitsintensität und die zu wenigen fachspezifischen Ausbildungsplätze.
Ab Mai 2024 soll jedoch der Pflege-Mindestlohn deutlich ansteigen. Beschäftigte können von da an mit einem Mindestlohn von 16,20 Euro bis 20,50 Euro pro Stunde rechnen, was dieses Berufsfeld wieder interessanter für Arbeitssuchende machen könnte. Der Personalmangel soll vor allem auch mithilfe ausländischer Fachkräfte abgefangen werden. Diese werden gezielt abgeworben, um in deutschen Pflegeeinrichtungen zu arbeiten.
Auch zur Diskussion steht der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Pflege. Insbesondere bei der Nachsorge von älteren Patienten und Patientinnen soll diese zum Einsatz kommen. Hierbei werden die Patientendaten analysiert und dann von der KI zu Warnhinweisen – beispielsweise bei Medikamentenunverträglichkeit oder zu Behandlungsempfehlungen – verarbeitet. Dies kann dazu beitragen, Behandlungsfehler zu vermeiden und das Klinikpersonal zu entlasten.
Seit 1. Januar 2024 gilt das Gesetz zur Klinikreform. Verfolgt werden drei große Ziele: Entökonomisierung, Entbürokratisierung und Gewährleistung der Behandlungsqualität. Ziel ist es aber vor allem, den Fokus von quantitativen zu qualitativen Behandlungen zu verschieben. Durch die Einführung von Vorhaltepauschalen, also einer Art Existenzgarantie, sollen die Fallpauschalen (Bezahlung nach Behandlungsfall) abgelöst werden und Krankenhäuser vor der Insolvenz bewahrt werden.
Auch die medizinische Forschung vermerkt große Erfolge. Unsere Gesellschaft wird immer älter und Probleme wie Alzheimer und Demenz sind ein großes Thema. Forschende am DZNE, dem deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen, haben diesbezüglich neue Erkenntnisse erlangt. Das Protein Medin, welches natürlich im Körper produziert wird, verklumpt bei Alzheimererkrankungen. Die Gehirngefäße können sich dann nicht mehr so gut ausdehnen und es kommt zu verlangsamtem Blutfluss, wodurch das Hirn nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden kann.
In Versuchen wurde festgestellt, dass Tiere, die kein Medin produzieren konnten, wesentlich seltener von den Hirnschädigungen betroffen waren. Auch bei Menschen konnten erste Nachweise erbracht werden. In der Zukunft soll weiter an der Anwendung bei Menschen geforscht werden, um mögliche Therapien für Alzheimer zu entwickeln.
Start-up-Szene
Für Gründerinnen und Gründer hatte 2023 einige Stolpersteine und Hürden zu bieten, die auch 2024 weiter die Erwartungen dämpfen. So mussten bis Oktober 2023 über 230 Start-ups Insolvenz anmelden. Einer der Gründe: Gelder von Investoren (Angels, Crowdfunding-Plattformen, CVCs oder auch vermögende Privatpersonen) fließen nur marginal. So betrug deren Beteiligung in Europa bis zum dritten Quartal 2023 laut Pitchbook nur noch 73,4 Prozent des Vorjahreswertes. Ähnliches zeigte sich bei der Höhe der Unternehmens-Bewertungen sowie der Dealaktivitäten: Beide Werte sanken in 2023 deutlich. Dieser Rückzug deutet auf die Vorsicht vieler Investoren im aktuellen Marktumfeld hin und lässt auch für 2024 wenig Hoffnung. Nur wenige Branchen können positiv ins Jahr 2024 schauen: Cybersecurity, DefenseTech und GreenTech zählen – auch aufgrund der politischen und gesellschaftlichen Weltlage – zu den potenziellen Gewinnern.
Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit
Die Tech-Branche ist auf dem Vormarsch. Nicht nur werden reihenweise neue Erfolge in der Entwicklung von immer leistungsstärkeren Chips wie dem Quantenchip mit 1000 Qubits – der zentralen Recheneinheit eines Quantencomputers – vom IBM erzielt, sondern auch das Gebiet der Künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens wird stetig weiterentwickelt. Die großen Fortschritte im Tech-Bereich ermöglichen es, immer größere Datenmengen zu verarbeiten und höhere Rechenleistung zu erzielen.
Doch wo wird KI und maschinelles Lernen heute schon eingesetzt? Ein Teilgebiet des maschinellen Lernens sind die sogenannten neuronalen Netzwerke, die vom Aufbau her von Nervenzellverbindungen des menschlichen Hirns inspiriert sind. Durch verschiedene Trainingsdurchläufe mit Daten können so immer komplexere Probleme aus zahlreichen Gebieten gelöst werden. Auch in der Bild- und Spracherkennung kommt KI immer mehr zum Einsatz und hilft dabei, Daten schnell zu verarbeiten. Mithilfe dieser Werkzeuge können beispielsweise manuelle Prozesse in Unternehmen mit geringem Aufwand automatisiert und optimiert werden. Die Einsatzmöglichkeiten entwickeln sich immer weiter und werden immer anwenderfreundlicher. So können auch Unternehmen diese Optionen teilweise schon nutzen, ohne ihre Mitarbeitenden auf lange Fortbildungen schicken zu müssen.
Der Trend zu recyclen ist schon lange nicht mehr nur ein Trend, sondern hat sich bereits in den Alltag vieler Menschen sowie Unternehmen integriert und hat dort festen Bestandteil. Im Kontext der Nachhaltigkeit gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Gewinn und Umweltbewusstsein zu vereinen. Ein großes Thema hierbei ist Plastik – 10 der größten Flüsse spülen jährlich weltweit etwa 4 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle in die Ozeane.
Um diese Massen an Müll davor zu bewahren ins Meer zu gelangen, gibt es inzwischen kleine Unternehmen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, das Plastik aus den Flüssen zu „fischen“, bevor es ins Meer gelangen kann. Dabei werden auf dem Fluss mehrere Barrieren errichtet, die es Fischen und anderen Flussbewohnern trotzdem noch ermöglichen, darunter hindurch zu schwimmen. Die Kunststoffabfälle häufen sich vor diesen Barrieren auf und können per Hand oder per Bagger aus dem Fluss entfernt werden. Doch was passiert dann mit dem Plastik? Dieses kann von Unternehmen erworben werden, die dann daraus Taschen, Rucksäcke oder Kleidung herstellen. Oftmals wird ein Teil des Gewinns an die Organisationen gespendet, um die Projekte weiter zu fördern.
Ernährung spielt ebenfalls eine große Rolle in Bezug auf die Nachhaltigkeit. Die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln ist zwar gesunken, so aber auch die Nachfrage nach Fleisch, beziehungsweise tierischen Produkten. Dies lässt sich sowohl durch die Inflation, von der auch Lebensmittel nicht verschont blieben, als auch das wachsende Interesse an qualitativen, fair angebauten und produzierten Lebensmitteln erklären. Der Trend zur Neo-Ökologie – also weg von verschwenderischem Konsum und hin zum nachhaltigen Verbrauch – wird uns wohl auch die kommenden Jahre begleiten.
(Quellen für den Artikel sind im PDF-Dokument zu finden)