Immobilienbranche in der Krise
Waren die zurückliegenden Jahre für die Immobilienbranche und das Baugewerbe von Wachstum geprägt, verschlechtert sich das Geschäftsklima signifikant. Unter den Akteuren des Immobilienmarktes machen sich Unsicherheit und Zurückhaltung breit. Während die Corona-Pandemie nur ein kleiner, exogener Schock war, sind die aktuellen polykrisenartigen Effekte eine ernstzunehmende Bewährungsprobe für die Geschäftsmodelle der Immobilienunternehmen. Stark steigende Baustoff- und Dienstleistungskosten, Energiekosten, Lieferengpässe und überproportional gestiegene Refinanzierungskosten wirken disruptiv auf das operative Geschäft.
Je nach Geschäftsmodell müssen Unternehmer unterschiedliche Risiken steuern und Vorsorge treffen:
- Inflation sowie Energiepreise in Verbindung mit fallenden Reallöhnen belasten den Einzelhandel und damit die Einzelhandelsvermieter. Diese werden mit Flächenreduktion, Kostensenkungsversuchen sowie Insolvenztatbeständen der Einzelhändler konfrontiert.
- Für den klassischen Verwalter im Wohnsegment ergibt sich ein Vorfinanzierungsbedarf für seine Mieter durch die hohen Energiepreise. Sofern die Mieter zahlungsfähig sind, werden die verauslagten Nebenkosten erst über die Nebenkosten-abrechnung erstattet.
- Seit 2022 sehen sich Bauunternehmen sowie Projektentwickler mit einer geänderten Marktlage konfrontiert. Für gestiegene Bau- und Bodenpreise sind ganze Käuferschichten durch deren eingeschränktes Finanzierungsumfeld weggebrochen. Der Anstieg der Zinsen für die Immobilienfinanzierungen überfordert viele Haushalte und unterschätzt die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen. Banken sind restriktiver bei der Darlehensvergabe geworden, schränken die Kreditvergabe für Projektentwickler grundsätzlich ein, reduzieren die Beleihungsobergrenzen oder fordern zusätzliche Covenants. Projekte müssen daher rekalkuliert oder ganz storniert werden. Dies hat zu einem Rückgang der Auftragseingänge und Baugenehmigungen geführt und führt ab Herbst 2023 zu Unterauslastung von Kapazitäten.
Doch wie können Unternehmen diese Risiken und die damit einhergehenden Auswirkungen auf die Ertrags- und Liquiditätssituation rechtzeitig erkennen und steuern? In der Praxis werden wir als Restrukturierungsexperten von WAYES erst einbezogen, wenn eine signifikante Ertragskrise oder sogar Insolvenztatbestände, wie eine drohende Zahlungsunfähigkeit, vorliegen. Ein Turnaround aus eigener Kraft ist dann oftmals nicht mehr zu schaffen. Neben exogenen Gründen ist eine Hauptursache eine unzureichende finanzwirtschaftliche Früherkennung. Insolvenzgefährdete Unternehmen können Krisenindikatoren nicht antizipieren und Gegenmaßnahmen rechtzeitig einleiten.
Als Planungs- und Frühwarnsystem empfehlen wir die integrierte Unternehmensplanung. Sie gibt Aufschluss über die mittelfristige Entwicklung der Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage des Unternehmens. Es werden unterschiedliche Teilplanungen z. B. für Absatz, Projekte, Sachkosten und Personal verknüpft und wechselseitige Auswirkungen dargestellt. Das Management wird frühzeitig über die Einhaltung von Zielen und die mittelfristige Liquiditätsentwicklung informiert. Die integrierte Unternehmensplanung erlaubt somit einen Belastungstest der Elastizität und ein rechtzeitiges Einleiten von Gegenmaßnahmen.
– Jan Schönemann